05. Januar 2007 Einsatz Weihnachtstrucker

Eine Reise mit Hindernissen Günzburger THW-Helfer begleiten Aktion Weihnachtstrucker nach Serbien

Schließlich ist man ja in solch einem Verein, um zu helfen. So einfach kann die Begründung sein für einen Weihnachtsurlaub der etwas anderen Art. Bei dem man in sechs Tagen 13 000 Kilometer herunterfährt. Bei dem man nächtliche zehn Grad Minus auf der Rückbank eines Kleinlaster erträgt. Bei dem man mit Armut konfrontiert wird, die von keinerlei sozialem Netz aufgefangen wird, mit dem Elend von Menschen, die vom Schicksal auf der dunklen Seite des Lebens abgestellt wurden.

Der Günzburger Markus Mayer, 28 Jahre alt, trat schon als Zehnjähriger dem Technischen Hilfswerk (THW) bei, arbeitete sich durch Lehrgänge und Einsätze zum Zugführer hoch und meldete sich dieses Jahr als Freiwilligenhelfer zum Einsatz der Aktion Weihnachtstrucker. Ziel dieser von der Johanniter-Unfallhilfe seit 13 Jahren durchgeführten, vom Radiosender Antenne Bayern initiierten und von vielen Firmen, Schulen und Privatpersonen auch aus dem Landkreis unterstützten Kampagne: Notleidenden Menschen, insbesondere Kindern, die in osteuropäischen Ländern unter der Armutsgrenze leben, mit Weihnachtspaketen, die ausschließlich Grundnahrungsmittel enthalten, über die harten Wintermonate zu helfen.

Zum ersten Mal beteiligte sich das Technische Hilfswerk (THW) bei dieser Aktion als Co-Partner. Gute Gelegenheit also für Markus Mayer und seinen Kollegen Reinhold Brenner, mal persönlich festzustellen, ob die gesammelten Spenden wirklich da landen, wo sie landen sollen. Insgesamt waren es 36 Lkw, die sich mit 160 Tonnen Lebensmitteln, verpackt in 50 000 Pakete, auf den Weg nach Rumänien, Bosnien-Herzegowina, Ungarn und Serbien machten. Die Aufgabe der Günzburger: Als eines von drei THW-Zugführerteams aus Sonthofen, Neustadt/Oberpfalz und Günzburg den Gesamtablauf von Transport und Warenverteilung jener acht Trucks zu koordinieren und zu betreuen, deren Zielgebiet Serbien mit den Städten Novi Sad und Zrenjanin war.

Die Pakete der für sie zuständigen Sammelstellen Realschule Burgau, Dossenberger-Gymnasium Günzburg und Realschule Ichenhausen waren bereits zu den Johannitern nach Kempten verbracht worden, als am Zweiten Weihnachtstag, früh um sieben Uhr, der Transporter mit der Aufschrift THW-Günzburg zum Treffpunkt Augsburg startete. Ausgangspunkt zu einer Reise mit Tücken und Hindernissen. Während er mit einer Hand auf der Landkarte den Streckenverlauf beschreibt, lädt Mayer mit der anderen eine Foto-CD auf sein Notebook. Immer wieder schiebt er in seinen Reisebericht Bilddokumente ein, Fotos, die auf der einen Seite strahlende Gesichter zeigen, auf der anderen schockierende Lebensumstände, die sich nur mühsam hinter dem gezeigten Lächeln zu verstecken vermögen.

Ein guter Stern leuchtete ihnen, berichtet er, was freie Straßen und Wetterverhältnisse anbetraf. Die 15-stündige Fahrt bis zur serbischen Grenze verlief problemlos. Doch dann machte das Glück eine Pause. Zwar waren die Pakete einheitlich und streng nach vorgeschriebener Liste verpackt - überall dasselbe drin, von Zucker, Mehl, Reis, über Speiseöl, Nudeln und Schokolade bis zu Seife, Zahnbürste und Zahnpasta (Die Johanniter hatten alles perfekt organisiert). Doch mit einem rechnete man nicht: Die serbischen Grenzbeamten suchten und fanden das Haar in der Suppe. Ein fehlendes Zertifikat für die Einfuhr von Mehl. Grund genug für eine Einreiseverweigerung. Ohne Papier keine Weiterfahrt. Basta! Mitten in der Nacht, an Weihnachten. Genau der richtige Zeitpunkt, um mit dem Bayerischen Innenministerium Kontakt aufzunehmen...

Fünfzehn Stunden dauerte es, bis man es dann endlich hatte, das Papier, auf dem ferne Beamte einer Ware, die sie nie zu Gesicht bekommen hatten, Unbedenklichkeit bestätigten. So ist das halt dort, sagt der junge Günzburger THW-Helfer und zuckt mit den Schultern.

Freudestrahlend wird der Konvoi an den Zielorten begrüßt. In den Kindergärten und Altersheimen, in der Schule, die das UNO-Projekt Gemeinsamer Unterricht für Serben- und Roma-Kinder durchführt, und in den Roma-Siedlungen. Markus Mayer klickt Bilder davon auf den Computermonitor. Erschreckend, in welch jämmerlichem Zerfallsstadium, in welch luftabschnürender Beengtheit sich die Wohnverhältnisse präsentieren, in denen diese Menschen ihr Dasein fristen. Ohne funktionierende Elektrizität, ohne fließendes Wasser im Haus. Die haben rein gar nichts, sagt er, dreistöckige Kaufhäuser gibt es, mit nichts drin.

Trotzdem, die Gastfreundschaft, schwärmt der THW-Helfer, war überwältigend. Unmöglich, all den Einladungen zu Familienbesuchen nachzukommen, die an die 18-köpfige Helferschar ergingen. Sie hatte alle Hände voll zu tun, um allein das Verteilungs-Tohuwabohu in geordneten Bahnen zu halten. Und dann machte sich das Glück ein weiteres Mal aus dem Staub. Nur in Sichtweite der Mannschaft war in der Nacht zum 29. Dezember einer der Lkw entfernt - unbeaufsichtigt. Die Folge: Frontscheibe eingeschlagen, Geld, Führerschein, Ausweis, Reisepass und jegliches, was nach Wertgegenständen aussah, alles weg. Schöne Bescherung!

In kleinen Schritten kehrte das Glück zurück. Der einheimische Malteserhelfer, stellte sich heraus, war zugleich Dorfrichter, seine Beziehungen zu Polizei und Institutionen glänzend. Der örtliche Mercedes-Vertreter hatte eine neue Frontscheibe auf Lager. Und, kaum zu glauben, aber wahr, der geklaute Reisepass wurde überraschend schon Stunden später wieder aufgefunden. Der Rest der Ladung wurde, nach Vorlegen von Personalausweis und Eintrag in eine Liste, unter Aufsicht des jeweiligen Ortsvorstehers oder Pfarrers, ordnungsgemäß unter die Leute verteilt. Das Leben aus dem Auto, so Mayer, ging seinem Ende entgegen. Am Silvesterabend, Punkt 18 Uhr, hatte er wieder heimatlichen Günzburger Boden unter den Füßen.

Würde er so etwas noch einmal machen? Als werdender Vater müsse er zukünftig vornehmlich an seine Familie denken, antwortet der THW-Mann, prinzipiell sei er dazu aber immer wieder bereit. Zwar sei es keine leichte Aufgabe gewesen, sie habe ihm aber etwas vermittelt, etwas, das man nie vergisst. Das Lächeln aus glücklichen Kindergesichtern - das hat alles andere mehr als aufgewogen.

Quelle: Günzburger Zeitung